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Wo ist das Lächeln von Lissabon geblieben?
Heiter bis wolkig

Von Uwe Bahn *

Der Himmel ist bedeckt - das passt. Ich mag Lissabon nicht, und Lissabon mag mich nicht. Vor vier Jahren war ich schon einmal dort, kehrte mit einer Fischvergiftung heim und schwor mir: nie wieder in diese Stadt! Doch wer 1994 die Kulturhauptstadt Europas war und 1998 die Expo beherbergte, der hat eine zweite Chance verdient. Aber dieses Mal verzichte ich bewusst auf jede Art von Meeresgetier. Aus gutem Grund: Im Jahre 1498 importierte Vasco da Gama Tonnen von Gewürzen aus Indien. Seitdem verstehen es die Köche der Stadt, Verdorbenes geschmacklich zu neutralisieren. Zumindest die Köche, bei denen ich vor vier Jahren aß.

Die beste Art Lissabon zu erkunden, ist mit der historischen Straßenbahnlinie 28. So steht es in jedem anständigen Reiseführer. Ich erinnere mich: Das Geschaukel der Tram gab mir damals den Rest. Diese Mal kommt es gar nicht so weit: Die öffentlichen Verkehrsmittel von Lissabon sind im Streik. Die Alternative Taxi ist keine. Fahrten sind zwar spottbillig, aber wer in Lissabon freiwillig in ein Taxi steigt, sollte vorher die Hinterbliebenenrente klären. Auf den Straßen kennen die Fahrer nur ein Motto: "Lieber tot als Zweiter."

So trotte ich zu Fuß durch die Alfama, das älteste Viertel der Stadt. Mit Hilfe von EU-Geldern werden die Fassaden der Altstadthäuser verschönert. Leider sieht man es nicht, weil die Anwohner ihre Wäsche zum Trocknen davor hängen. An Tagen wie diesen aber trocknet in Lissabon nicht mal ein Topflappen.

Vorbei an mürrischen Ladenbesitzern irre ich durch die steilen Gassen hinauf zum Castelo de Sa Jorge. Hier oben vom Burghügel kann man ganz Lissabon sehen. Aber will man das? Sehnsüchtig denke ich an die Croisette, den Palmenboulevard von Cannes. Oder den Passeig Maritim von Palma, diese Prachtstraße direkt am Hafen. Oder an den Jungfernstieg. Lissabons Promenade am Tejo-Fluss ist eine vierspurige Schnellstraße, auf der sich die Pendler jeden Morgen zum Stau verabreden.

Vor einigen Jahren gab es in Lissabon ein spektakuläres Wettrennen zwischen einem Esel und einem Ferrari. Ergebnis: Mit einem Esel kommt man deutlich schneller in die Innenstadt. Aber machen Sie mal einer portugiesischen Sixt- oder Avis-Filiale klar, dass sie gerne einen Esel hätten. Also weiter zu Fuß.

In Lissabon-Downtown trifft man sich am Rossio, dem zentralen Platz. Ich setze mich draußen vors "Café Nicola". Heiter ist es jetzt, jedoch nur das Wetter; das Lächeln wurde wohl vor Jahren abgeschafft. In den 15 Minuten, die ich im "Nicola" sitze, kommen abwechselnd an meinen Tisch: ein Marokkaner mit Ray-Ban- Imitationen, ein Deutscher, der sein Hab und Gut verloren hat, ein portugiesischer Junge mit einer Casio-Heimorgel, seine drei Geschwister mit derselben Orgel und eine hinkende Möwe. So langsam macht sich eine Mischung aus Schwermut und Mitleid bei mir breit. Muss ich etwa ein drittes Mal anreisen, um Lissabon zu verstehen und zu mögen?

Eine schwere Entscheidung, die ich mir ganz einfach erleichtern könnte: Ich sollte einfach nur Fisch essen gehen.


* Dieser Artikel erschien am 29. November 2003 in der Rubrik "Reise" im Hamburger Abendblatt




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Portugal-Post Nr. 25 / 2004