.
  Wir über uns    Mitglied werden    Kontakt    Gästebuch


Ein hanseatisches Fachwerkhaus in Portugal

Von Rainer Daehnhardt *

Man schrieb das Jahr 1885; ein mehrmastiger Segler lief in den Hafen Lissabons ein. An seiner höchsten Mastspitze die blau-weiße portugiesische Königsflagge, am Heck die Kaiserlich Deutsche, am zweiten Mast die Grün-Weiße mit den Initialen "J" "W" der JOHANNES WIMMER Reederei. Der Segler kam aus dem Baltikum zurück. Von Lissabon, seinem, Heimathafen aus, hatte er Rotweinfässer nach Bordeaux verladen und Apfelsinenkisten nach Hamburg. Von dort fuhr er nach Königsberg und Riga, wo Langhölzer geladen wurden, welche in Portugal zur Schiffsmastherstellung verwendet werden. Einer der ältesten Handelszweige, der die Hansestädte des Baltikums bereits seit dem 13. Jahrhundert mit Portugal verband. Auf der Rückreise wurden in Hamburg noch Zementsäcke mitgeladen und fertig war es. Zurück nach Portugal hieß der Befehl.

Diesmal hatte einer der Wimmer-Segler jedoch auch Passagiere an Bord. Hamburger Zimmerleute! Schon öfters mussten die Segler in Hamburg oder Kiel überholt werden. Die dortigen Zimmerleute mit ihren breitkrempigen Hüten und ihren geschnürten Wanderstöcken wurden zu gern gesehenen Arbeitskräften auf den Wimmer-Seglern aus Lissabon.

Wie die Idee aufkam, weiß man heute nicht mehr. Tatsache jedoch ist, dass Johannes Wimmer eine Reihe Hamburger Zimmerleute dazu einlud ( selbstverständlich kostenlos) auf seinem nächsten Segler eine Fahrt nach Portugal zu machen, dort einige Monate zu verbringen und auf einem anderen seiner Segler zurück nach Schleswig-Holstein zu gelangen.

Vor 120 Jahren war eine Hamburg-Lissabon Seereise ein kaum vorstellbares Abenteuer. Welcher Hamburger Zimmermann hatte jemals dazu eine Möglichkeit? So wurde sie mit offenem Herzen ergriffen und man stieg mutig in die See. In der Biscaia wurden ihnen jedoch Wellen beschert, dass sie dachten, es hätte ihre letzte Stunde geschlagen, nach dem Kap Finisterra änderte sich das Wetter jedoch und sie kamen fröhlich gestimmt von Bord. Mehrere Kutschen warteten auf sie um ihnen die Stadt Lissabon auf dem Weg zum Wimmerschen Wohnsitz in Belas zu zeigen.

Sie waren alle begeistert. Palmen, Apfelsinenbäume, eine Festung, die auch Leuchtturm war, Kirchen und Paläste noch und noch. Sie taumelten durch eine völlig andere Welt. Anstatt irgendwo auf einem Strohsack in einer Scheune zu schlafen, waren für alle Betten, Tische und Stühle zusammengeschafft worden. Essen und Wein gab es reichlich und sie verbrachten die Tage mit singen und staunen.

Plötzlich kam unter den Zimmerleuten ein Wunsch auf, mit welchem sie recht herzhaft und ohne ein "Nein" akzeptieren zu wollen an Johannes Wimmer herantraten. Sie hatten entschieden, dass sie sich ihm auf ihre Art erkenntlich zeigen wollten. Sie wollten ihm ein deutsches Fachwerkhaus bauen. Der aus Sachsen stammende Wimmer hatte sich gerade ein neues großes Haus, welches er "Villa Saxe" nannte, gebaut und brauchte kein weiteres. Sie bestanden aber darauf und bauten ihm ein Hanseatisches Fachwerkhaus norddeutschen Stils. Komplett mit Dachtürmchen und Feuerglocke. Genau zwei Wochen brauchten sie dazu und schon stand es, im Gerüst fertig, da; in altdeutscher Pracht, am äußersten Zipfel des Südwestens Europas, rund 2.500 km geographisch verschoben. Es steht heute noch!

Die Familie Wimmer von Frankenstein stammt aus Annaberg, Preußisch-Schlesien. Johannes Wimmer war der erste seines Namens, der nach Portugal zog. 1842 in Frauenstein, Sachsen, geboren ging er als 18jähriger zuerst nach Paris. 1863 gründete er jedoch seine erste Firmenvertretung in Lissabon. 1864 folgte dieser, zusammen mit dem Hamburger Karl Blanck, die Reederei J. Wimmer & Co. Er wurde K.u.K. Österreich-Ungarischer Wahl-Generalkonsul am portugiesischen Hof wie auch später sein Sohn Hans Konrad Wimmer. Ein anderer seiner aller in Lissabon geborenen Söhne, Eduard Wimmer, fiel als Leutnant eines Sächsischen Husarenregiments 1905 während des Herero-Aufstandes in Deutsch Süd-West-Afrika. Im Wimmerschen Park steht daher nicht nur das Fachwerkhaus sondern auch ein riesiger Obelisk mit daraufsitzendem Deutschen Kaiseradler in Stein. An der Basis eine Bronzebüste Leutnant Wimmers in Süd-West-Uniform und eine Bronzeplatte deutscher Inschrift. Darin die Worte: "Gefallen für Kaiser und Reich".

Als eine Gruppe Bundesrepublikaner den Park besuchte, machte sich einer darüber lustig, weil er, wie er sagte, nicht verstehen konnte, wie ein in Lissabon geborener Auslandsdeutscher nach Afrika reisen und dort für einen Deutschen Kaiser und "dessen" Reich fallen könne. Da er diese Meinung dazu noch in äußerst herabwürdigender Art von sich gab, wurde er Platzes verwiesen und musste, von allen peinlich gemieden, zu Fuß abziehen. Alle anderen hatten völlig verstanden, dass sie an einem Ort standen, wo seit Generationen das Deutschtum geehrt wird, selbst wenn es das eigene Leben kostet!

Als während des 1.Weltkriegs der Wimmersche Besitz beschlagnahmt wurde, kam dieser Park in portugiesische Hände ( wurde jedoch Anfang der Zwanziger Jahre wieder von Johannes Wimmer zurückerworben). Portugal war damals Kriegsgegner des Deutschen Reichs, zeigte jedoch solchen Respekt dem Ansehen dieses, für sein Vaterland in Übersee gefallenen deutschen Offiziers, dass der Obelisk mit Kaiseradler und Bronzeplaketten nicht nur nicht beschädigt, sondern geehrt und mit Blumenhecke versehen wurde. So steht heute noch dies schon 99 Jahre alte deutsche Denkmal, wohl das westlichste Europas und erinnert an die Treue und Opferbereitschaft der Auslandsdeutschen.

Die jüngste Tochter Johannes Wimmers, Annemarie, kam 1885, während des Baus des Fachwerkhauses in der Villa Saxe auf dem Wimmerschen Gut zur Welt. Sie heiratete den Sohn des Kaiserlich Deutschen Generalkonsuls, Dr. Heinrich Daehnhardt, der 1876 in Lissabon geboren, deutscher Berufsdiplomat wurde. Im 1. Weltkrieg eingezogen und vor Verdun verletzt, wurde er, nach Genesung, einer der Diplomaten, die den Versailler Vertrag vor Ort miterlebten. 1919 war er Treuhänder für das feindliche Vermögen und 1920 Oberregierungsrat im Reichsministerium für Wiederaufbau / Reichsausgleichsamt für deutsche Güter, Rechte und Interessen attachiert an der Deutschen Botschaft in Paris.

1941 wurde er als deutscher Generalkonsul in Göteborg zwangspensioniert weil er, aus rein humanitären Gründen vielen Norwegern und Dänen, ohne erst in Berlin nachzufragen, die Pässe abgestempelt hatte, damit sie auf neutralen schwedischen Schiffen das Kriegsgebiet verlassen konnten. In den Tagen nach dem 20. Juli 1944 wurde er, obwohl krank im Hospital, zum Verhör abgeholt, auf Grund dessen er dann am 7. August 1944 starb. Seine Frau, Annemarie Wimmer Daehnhardt kam nach Portugal zurück, um das Wimmersche Landgut nach dem Tode ihres Bruders zu übernehmen. Einer der Urenkel Johannes Wimmers macht gerade daraus das Deutsch-Portugiesische Museum, da sieben seiner Vorfahren Generalkonsule in Portugal waren. Das im Park dieses Museums befindliche Fachwerkhaus ist nur eine von vielen Sehenswürdigkeiten der deutsch?portugiesischen Geschichte, die hier seit Generationen zusammengebracht und gepflegt wird.


* Präsident der Sociedade Portuguesa de Armas Antigas und Besitzer einer umfangreichen Sammlung historischer Waffen. Autor zahlreicher Schriften zur deutsch-portugiesischen Geschichte, insbesondere die Segredos da História Luso-Alemã. Geheimnisse der Deutsch-Portugiesischen Geschichte (Lissabon 1998), die wir unseren Lesern in der Portugal-Post 15 vorgestellt haben.






Impressum         Disclaimer
.
Portugal-Post Nr. 26 / 2004


Hanseatisches Fachwerkhaus in Belas (bei Lissabon)




Quinta Wimmer, Belas Kaiserlich-Deutsches Denkmal